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Dschungelcamp lässt grüßen: Insekten als Fleischersatz?

Foto: Imago / Westend61

Dschungel-Camp lässt grüßen: Insekten als Fleischersatz?

Tofu-Schnitzel und Soja-Würstchen sind out – vielleicht kreucht und fleucht es bald nur noch in unseren vegetarischen Küchen. Was in asiatischen und südamerikanischen Ländern Tradition ist, kann künftig den übertrieben hohen Fleischkonsum westlicher Länder eindämmen: Insekten-Kost. Stehen „süße Hüpfer“ und „Heuschreckenbounty“ bald ganz oben auf unserer Speisekarte?

„Im ersten Schritt sollten Sie die Flügel und auch die Beine der Maikäfer entfernen.“ So lautet Anleitungsschritt Nummer eins für ein eher ungewöhnliches Rezept: die Maikäfersuppe. Wem jetzt nicht gleich das Wasser im Mund zusammenläuft – keine Sorge. Die Auswahl der Insekten-Küche ist weitaus größer: Mehlwürmer, Grillen, Maden, Heuschrecken oder Soldatenfliegen – alles was das Herz begehrt!

Ekeliges Krabbelzeug …

Was in anderen Kulturen zum Standard-Menü gehört, klingt in den mitteleuropäischen Ohren eher ekelerregend. Dennoch sollte manch einer auch hierzulande mal über den Tellerrand schauen. Das raten unter anderem Vertreter des sogenannten „Anthropozän“-Zeitalters. Denn die gewöhnungsbedürftige Küche ist nicht nur für figurbewusste Menschen ratsam. Die Kost ist sehr nährstoffreich und gilt dank dem hohen Eiweiß- und Protein-Gehalt als perfekter Fleischersatz.

… oder nachhaltig nahrhafter Proteinlieferant?

Und hier verbirgt sich auch die Idee dahinter: Denn der Fleischkonsum der Industrienationen ist in den letzten Jahren enorm gestiegen, was mit einem extremen Ressourcenverbrauch einhergeht. So werden zur Produktion einer tierischen Kalorie je nach Tierart etwa fünf bis dreißig pflanzliche Kalorien verfüttert. Oder anders ausgedrückt: Auf ein Kilo Fleisch kommen durchschnittlich rund zehn Kilo pflanzliche Nahrung.

Doch damit nicht genug – denn der Bedarf an Proteinen wird weiter steigen: Geschätzte neun Milliarden soll die Weltbevölkerung im Jahr 2050 erreicht haben – fast zwei Milliarden mehr als in 2014. Laut der Food and Agriculture Organization (FAO) könne dieser Entwicklung mit dem ressourcenschonenden Verzehr von Insekten begegnet werden.

Die Erde ist „menschgemacht“

Und was hat das Ganze nun mit dem sogenannten „Anthropozän“ zu tun? Der Begriff kommt aus dem Griechischen und heißt übersetzt „das menschgemachte Neue“. Er beschreibt ein neues Erdzeitalter, in dem der Mensch auf die Natur einwirkt. In Zahlen heißt das beispielsweise, dass drei Viertel des festen Landes nicht mehr ursprünglich, also unangetastet, sind, sondern vom Menschen umgestaltet wurden.

Dass der Mensch überall seine Finger im Spiel hat, muss aber nicht per se schlecht sein. Klar – es ist nicht von der Hand zu weisen, dass er verantwortlich ist für die globalen Probleme der Zeit, wie etwa Überfischung, Vermüllung und Luftverschmutzung. Oder, um beim Beispiel des exzessiven Fleischkonsums zu bleiben: Der Mensch hinterlässt schädliche Spuren, indem er in natürliche Ökosysteme eingreift, um etwa Raum für Ackerland und Viehweiden zu schaffen.

Zeitalter der Menschen: Ein Nehmen und Geben

Gemäß dem Anthropozän-Denken ist der Mensch aber eben auch als Teil der Natur zu sehen. Er nimmt nicht nur, sondern er kann durch sein Handeln auch Positives zurückgeben. „Der Mensch muss Räume schaffen, in denen sich die Natur erholen kann“, sagt Reinhold Leinfelder, Professor für Paläontologie und Geobiologie an der Freien Universität in Berlin.

Wie so etwas aussehen kann, zeigt die Studentin Katharina Unger. Um der gefürchteten Nahrungsmittelkrise entgegenzusteuern, hatte sie die außergewöhnliche Idee, eine Proteinmaschine für den Eigenbedarf zu konstruieren. Im Rahmen ihrer Abschlussarbeit baute sie einen Insektenbrutkasten zur Aufzucht von schwarzen Soldatenlarven als Fleischersatz. Sie selbst hat sich sogar diesem Selbstversuch unterzogen und Gefallen daran gefunden. Ihr Lieblings-Rezept: das Tomaten-Larven-Risotto.

Weniger, bewusster, gesünder

Aber keine Sorge. Noch ist es nicht soweit, dass Insekten komplett die Fleischgerichte ersetzen sollen. Es ist eher als Statement zu sehen: ein Statement, um Alternativen aufzuzeigen. Natürlich gibt es verschiedene Möglichkeiten, sich durch sein persönliches Verhalten aktiv einzubringen – bzw. der Natur zurückzugeben, was man ihr genommen hat. Beispielsweise durch Müllvermeidung und –wiederverwertung oder eben durch eine bewusste Ernährungsweise. Sich mit dem Gedanken an den „knusprig nussigen“ Fleischersatz anzufreunden, schadet sicherlich nicht – wer weiß, wann er zu unserem Standard-Menü gehört …

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