
Die Qualität des Fleisches hängt auch davon ab, ob die Tiere bei der Schlachtung Stress hatten.

Nach Angaben des Bayrischen Landesamts für Statistik gibt es allein in Bayern 69.500 landwirtschaftliche Viehbetriebe mit insgesamt 3,3 Millionen Rindern.

Nach dem Transport warten die Tiere in einer Sammelbox, die direkt zum Schlachtraum führt.

Nach ihrer Ankunft werden die Rinder schon nach wenigen Minuten geschlachtet.

Schweine müssen mit mindestens einer und maximal vier Stunden am Schlachthof warten, bis es losgeht.

Die Tiere sterben erst, wenn das Gehirn durch den Blutentzug nicht mehr mit Sauerstoff versorgt wird.

Die Tiere werden nach der Betäubung am Hinterbein zur Weiterverarbeitung aufgehängt.

Die abgelöste Haut wird weiter verarbeitet und für Lederprodukte verwendet.

Mehr als 1000 Tiere – darunter vier ausgewachsene Rinder – verzehrt der Durchschnittsdeutsche in seinem Leben.
Paula wartet. Die braune Kuh mit der kleinen Blesse auf der Stirn steht in einer schmalen vergitterten Schleuse. Sie ist die erste in der Schlange und blickt auf eine verschlossene Metalltür. Hinter sich hört sie ihre Kameraden schnauben und muhen. Je nach Entfernung vom Eingang sind sie teils neugierig, teils erregt.
Nach der etwa zweistündigen Fahrt vom Münchener Umland zum Schlachthof ist Paula durstig – und wird langsam nervös. Und da hört sie es wieder: ein seltsam dumpfes Geräusch, das im Minutentakt ertönt. Dieses Mal deutlich lauter als zuvor. Wie ein fester Schlag, gefolgt von krachendem Gerumpel. Weiter entfernt rattert eine motorbetriebene Eisenkette. Es geht weiter: Die Tür vor Paulas Augen öffnet sich.
Automatisch geht sie ein paar Schritte weiter, hinter ihr rastet die Tür mit voller Wucht wieder ein. Jetzt kann sie weder vor noch zurück. Panisch versucht sie, mit ihren Hufen die Tür hinter sich aufzutreten. Plötzlich umschließt etwas ihren Hals. Fast im gleichen Moment bemerkt sie auf ihrer Stirn einen leichten Druck. Es ist wahrscheinlich das letzte, was Paula spürt. Den Bolzenschuss kriegt sie schon nicht mehr mit – zumindest dann, wenn alles gut geht.
Fehlbetäubung bei 200.000 Rindern im Jahr
Aus tierschutzfachlicher Sicht ist der korrekt durchgeführte Bolzenschuss aus einem
Schlachtschussapparat mit weniger als zwei Millisekunden das schnellste und damit wirkungsvollste Betäubungsverfahren. „Der Bolzen tritt aus dem Schussapparat aus, der durch die Haut, durch den Schädel und dann in das Gehirn einschlägt“, beschreibt Werner Huber, Geschäftsführer der Attenberger Fleisch GmbH & Co.KG in München den Vorgang. „Wenn man die Hörner und die Augen kreuzt, ungefähr einen Zentimeter höher – da ist der Punkt, der besonders empfindlich ist.
Da werden die Tiere getroffen und betäubt.“ Laut Prof. Dr. Klaus Tröger vom Max Rubner-Institut (MRI, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel), kommt es in Deutschland jedoch bei bis zu sieben Prozent aller Schlachtungen zu Fehlschüssen – also bei rund 200.000 Rindern im Jahr. Das hat zur Folge, dass die Tiere bei den weiteren Schritten des Schlachtvorgangs bei Bewusstsein bleiben.
„Bei der Betäubung sind zwei Dinge wichtig, um die Tiere mit geringer Fehlerquote zu töten. Das ist zum einen die ausreichende Kopffixierung und zum anderen ein geeignetes Bolzenschussgerät“, erklärt Tröger. Die Bewegungseinschränkung des Kopfes ist wichtig, um das gerade einmal apfelsinengroße Rinderhirn treffsicher zu verletzen. Eine zu rigide Fixierung jedoch löst Panik und Angst bei den Tieren aus. Eine Gratwanderung.
Auswirkungen auf die Fleischqualität
„Dies ist nur akzeptabel, sofern Sekunden später betäubt wird“, sagt Tröger. Neben der richtigen Fixierung hat der Schlachtbetrieb die Verantwortung, ein Bolzenschussgerät mit ausreichend hoher Durchschlagskraft zu verwenden. Dr. Klaus Tröger rät daher, gleich ein stärkeres Bolzenschussgerät mit 18 bar Druckluft zu nehmen.
Bisher sind nur acht bis neun bar gängig. Das sofortige Zusammenbrechen ist ein verlässliches Zeichen dafür, dass das Tier bewusstlos ist. Das ist nicht nur aus Sicht des Tierschutzes wichtig, sondern auch für die Fleischqualität. „Grundsätzlich wird das Fleisch heller und wässriger und die Konsistenz wird relativ weich, wenn der Stress, der direkt mit der Schlachtung zusammenhängt, entsprechend groß war“, sagt Tröger.
Vom Büro in den Schlachtraum
Schlachthof-Chef Huber scheint zufrieden zu sein mit dem, was er da unten sieht. Er steht auf der Besuchertribüne. Unter ihm fällt die braune Kuh Paula gerade lautstark in ihren letzten Schlaf. Im Takt schlagen die routinierten Abläufe: betäuben, zusammenbrechen, anhängen, entbluten.
Huber erklärt eifrig und gestikuliert stark – als wolle er darüber hinweghelfen, dass man ihn nicht gut hören kann. Zu laut rumpelt und rattert es. Kaum vorstellbar, dass derselbe Mensch eben noch etwas misstrauisch am Tisch im wohnlichen Verwaltungsraum des Schlachtgebäudes saß und in seinem Kaffee rührte. Die letzte Spur von Unbehagen erscheint wie weggefegt. Jetzt ist er in seiner Welt: bestehend aus dem blutigen Schwarz- und dem hygienischen Weißbereich.
Kurzer Aufenthalt im „Wartesaal“
Der 52-jährige Lebensmitteltechnologe und Fleischermeister ist seit zwei Jahren Geschäftsführer der Firma Attenberger, die seit 1991 zum Schlachthof München gehört. Speditionen sammeln die Rinder von verschiedenen Höfen in ganz Bayern ein. „Wir machen es ähnlich wie beim Privatarzt. Wir bestellen die Tiere zu unterschiedlichen Zeitpunkten“, erklärt Huber. Ähnlich wie Privatpatienten warten die Rinder nach der Ankunft nur einige Minuten, bis sie drankommen.
Die männlichen Rinder sollen keine Aufsprungversuche auf die Kühe unternehmen, da dies sehr viel Muskelenergie kostet. Sogenanntes DFD-Fleisch würde entstehen: dunkel (dark), fest (firm) und trocken (dry). Schweine müssen da – ähnlich wie Kassenpatienten – mit mindestens einer und maximal vier Stunden Ruhezeit schon mehr Geduld aufbringen. Sie sollen sich von dem Transport- und Entladestress erholen, bis sich die Herzfrequenz und Stoffwechselsituation normalisiert hat. Denn im Zusammenhang mit Stress neigen Schweine eher als Rinder zu Stoffwechselentgleisungen, die zu Mängeln bei der Fleischqualität führen.
Zeit ist Geld im Schlachtgeschäft: vor allem, wenn man bedenkt, dass am Tag im Münchener Schlachthof 350 Tiere getötet werden. 70 pro Stunde und ein Rind innerhalb von 60 Sekunden. Das ist auch die gesetzlich verankerte Zeitangabe, um einer möglichen Wiederkehr des Bewusstseins entgegenzuwirken. Das Tier muss entbluten, solange es empfindungs- und wahrnehmungsunfähig ist.
Das schreibt die Tierschutz-Schlachtverordnung vor. Durch den Blutentzug wird das Gehirn des Tieres nicht mehr mit Sauerstoff versorgt, so dass der Tod eintritt. Doch auch der Stich zur Entblutung, bei dem ein armdicker Blutstrahl austreten muss, kann schiefgehen. „Binnen 60 Sekunden muss ein Rind 20 bis 30 Liter Blut verlieren. Dann kann man davon ausgehen, dass das Tier nach kurzer Zeit hirntot ist“, so Tröger. „Der Schlächter erkennt das an den starren Augen des Tieres.“
„Die Tiere merken nicht, dass sie geschlachtet werden“
Huber sieht zu, wie der Schlachtermeister die betäubte Paula mit dem Hinterlauf an einem motorbetriebenen Kettenzug befestigt. Kurze Zeit später hängt sie mit dem Kopf nach unten, die Zunge baumelt schlaff heraus. Ein gutes Zeichen dafür, dass Paula bewusstlos ist. Dann sticht der Schlächter mit einem Messer, so groß wie sein Unterarm, die beiden Halsschlagadern durch. Die warme Flüssigkeit schießt aus dem Tier wie aus einem dicken Gartenschlauch.
Die kräftigen, tätowierten Arme des Mannes sind blutüberströmt. Gemächlich dreht er sich zu dem Wasserbottich hinter ihm, der mit einem Blut-Wasser-Gemisch bis oben hin gefüllt ist. Erst säubert er sein Messer, dann seine Oberarme.
Es folgen zwei Bewegungen mit dem Messerschleifer – und weiter geht‘s. Ein prüfender Blick der Pupillenreaktion des Tieres fällt aus – so sicher ist sich der Mann, dass alles nach Routine gelaufen ist. Die braune Kuh ist tot und wahrscheinlich hat sie das nicht mitbekommen. Oder doch? „Die Tiere merken nicht, dass sie geschlachtet werden. Keines von denen war ja bisher bei einer Schlachtung dabei“, sagt Huber.